es ist ende april in zürich – und kaum ein monat versammelt so viel symbolik, ritual und widerspruch wie dieser. man könnte fast meinen, der april sei das ganze jahr im kompakten ausdruck:
- wetterumschwung und systembeben
- frühlingsgefühle und revolutionsträume
- glockenklang und sirenengeheul.
hier in zürich stehen wir zwischen zwei grossen ritualen, wie zwischen zwei welten:
dem sechseläuten – liebevoll-ironisch beim volk auch bonzenfasnacht genannt und
dem 1. mai, der sogenannten proletenfasnacht.
und dazwischen, beinahe wie ein göttlicher launenstreich, die sede vacante – der vatikan ohne papst.
was für ein tableau! was für ein ratatouille!
sechseläuten – wenn die zünfter reiten
zürich zeigt sich am sechseläuten in seiner wohl konservativsten ästhetik: männer in trachten, federhüte, reiterumzüge – und der bögg, diese symbolfigur des winters (oder des ungeliebten zustands), der mit lärm und feuer vertrieben wird.
jedes jahr.
ein volksfest? ja.
ein überbleibsel feudaler machtinszenierung? auch
und doch: die menschen stehen da, schauen zu, trinken – viel – und lassen sich treiben. vielleicht geht es gar nicht darum, was genau da passiert, sondern dass es überhaupt passiert.
ritual. wiederholung. ein kollektivmoment, in dem das „wir“ aufleuchtet, selbst wenn unklar bleibt, wer genau dieses „wir“ ist. 🤔
1. mai – wenn der widerstand marschiert
kaum ist der bögg zu asche zerfallen, stehen andere auf den plätzen: transparente hiessend, faust, maske.
die gewerkschaften rufen, die linken mobilisieren, die stadtpolizei bereitet sich vor.
wieder: ein ritual. und auch hier: widersprüche.
viele gewerkschaften sind selbst grosse institutionen, gut vernetzt, gut alimentiert – und kämpfen doch gegen «die bonzen».
auch hier wird ein „wir“ beschworen – gegen ein „die“.
auch hier wird gefeiert, getrunken, protestiert.
auch hier: ein kollektiver moment, der sinn stiften soll.
rom – wenn der stuhl leer bleibt
und während zürich tanzt, reitet und demonstriert, ist in rom der stuhl petri leer. papst franziskus – das (ehemals) wandelnde paradox aus bescheidenheit und institution – ist nicht mehr. sein abgang hinterlässt ein machtvakuum, das nicht nur spirituell wirkt.
die katholische kirche steht wieder einmal an einem scheideweg – oder vielleicht in einer schleife?
«history repeating», wie es so treffend im lied der «propellerheads» mit dieser unverwechselbaren stimme von shirley bassey heisst. irgendwo zwischen laszivem cabaret und dramatischem weltenlauf. das ist nicht nur ein song, das ist ein zynisch tanzender spiegel, der der geschichte ins gesicht lacht, während sie sich wieder und wieder im kreis dreht.
«and i’ve seen it before / and i’ll see it again»
so im songtext es heisst.
macht, dogma, gold – das ist die eine seite.
glaube, gemeinschaft, hoffnung – die andere.
auch hier ein ritual: tod, trauer, konklave, neuer anfang.
die frage bleibt: kann dieser kreis durchbrochen werden?
und mittendrin? wir!
wir, die zuschauen, beobachten, zaungäste und teils auch mit-protagonisten.
die vielleicht lieber um ein lagerfeuer sitzen, wenn der offizielle scheiterhaufen abgebrannt ist.
die lieber gitarre spielen als galoppieren.
die zweifeln, aber trotzdem hoffen.
die lachen, weil es manchmal die einzige antwort ist.
die ironisch kommentieren – wie «statler und waldorf» der muppets auf dem balkon – aber nicht aus zynismus, sondern aus liebe zum menschlichen theater.
vielleicht ist genau das unsere rolle: nicht teil der grossen rituale zu sein, sondern zeugen – im besten sinn.
mit augen, die sehen.
mit ohren, die hören.
mit herzen, die noch berührbar sind.
(m)ein fazit?
der mensch ist ein rituelles wesen. und vielleicht muss er das sein – um sich nicht ganz im rausch der geschichte zu verlieren. und wenn die geschichte sich schon wiederholt, dann singen wir eben dazu. und fragen: wann lernt der mensch?
vielleicht heute.
vielleicht morgen.
vielleicht – am feuer.
In eigener Sache
Dieser Text darf gern geteilt, diskutiert, weitergedacht werden.
Ich bin offen für Gespräche, Aufträge, Projekte – auch (oder gerade) in bewegten Zeiten wie wir sie aktuell durchleben.
Denn genau dann lohnt es sich, sich den Balkon von «statler und waldorf» zumindest kurz zu verlassen, um sich auf Augenhöhe dem respektvollen Miteinander zuzuwenden.
Mit Haltung.
Mit Tiefe.
Mit Freude an erfrischend respektvollen Leben.
La vita è bella! 😎
Herzlichst – dein/euer Maurizio
PS:
Solltest du über dieses oder andere Themen meiner Artikel und Blogs sprechen, sinnieren, philosophieren wollen, «I’m your man». Melde dich sehr gerne, wie es bisher schon einige sehr wertvolle Menschen und Firmen taten, mit denen ich bereits schöne sowie wertbringende Aktionen und Veränderungen umsetzen durfte.
Dir gehöre der erste Schritt – wir schreiten dann zusammen voran. Versprochen. 😉
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