Ein Märchen über drei Wege, die sich kreuzen, ohne sich zu verlieren.
Szene 1: Drei Pfade in einer Welt des Tuns
Es war einmal ein Land, in dem das Leben eine grosse und einzige Bewegung war.
Menschen eilten, planten, bauten, rissen nieder und errichteten neu. Nichts stand still – alles war in stetem Wandel. Es wirkte gar unruhig, hektisch, stressig……
Dort lebten drei Männer, jeder auf seine Weise mit dem Fluss des Lebens beschäftigt.
Effektivus war ein Mann der Tat.
Sein Herz schlug für das Machen. Kein Tag verstrich, an dem er nicht etwas erschuf, veränderte, anpackte.
Seine Devise lautete: «Wer vorwärtskommen will, muss losgehen.» Seinen Worten folgten unmittelbare Taten.
Effizianus war ein Denker.
Sein Geist suchte nach Wegen, Dinge nicht nur zu tun, sondern klüger zu tun. Er betrachtete Ressourcen, berechnete den besten Weg und fragte sich stets: «Wie kann es noch besser gehen?»
Und dann gab es Fulä Seppli, der oft einfach nur sass, scheinbar unproduktiv, wo es schön war.
«Seppli, was tust du?» fragte Effektivus.
«Ich denke.» antwortete Seppli.
«Aber – du sitzt doch bloss untätig da!» wunderte sich Effizianus.
«Vielleicht. Und – vielleicht bewegt sich gerade deshalb etwas in mir.»
Doch in einer Welt, in der Bewegung und Leistung zählte, war Innehalten ein Rätsel und oft nicht gerne gesehen resp. nicht goutiert.
Szene 2: Der Moment des Wartens
Eines Tages trat ein Problem auf. Ein Fluss hatte die Strassen einer Stadt verschluckt, und niemand wusste, wie man wieder hinübergelangte.
Effektivus griff sofort zu Hammer und Holz.
«Wir bauen eine Brücke!» rief er. Und mit kraftvollen Schlägen begann er zu arbeiten. Seine Tatkraft liess Späne fliegen.
Effizianus zog sich zurück, studierte den Verlauf des Wassers, mass Abstände, berechnete Winkel.
«Bevor wir bauen, brauchen wir den besten Plan!» sagte er und liess sich von der unmittelbaren Tatkraft von Effektivus nicht von seinem Weg abbringen.
Und der Fulä Seppli?
Er sass am Ufer.
Sah dem Wasser zu.
Lauschte.
Beobachtete und – schwieg nachdenklich.
«Seppli, du hilfst nicht?!» rief Effektivus über das Hämmern hinweg.
«Seppli, du vergeudest wertvolle Zeit!» rief Effizianus aus der Tiefe seiner Berechnungen.
Doch Seppli hörte nur das Rauschen des Wassers.
Und wartete.
Und beobachtete.
Und reflektierte.
Und nahm wahr.
Und reflektierte das wahrgenommene.
Szene 3: Die sanfte Lösung
Drei Tage vergingen.
Effizianus arbeitete noch immer an seinen Plänen.
Effektivus schwitzte, die Brücke war halb fertig.
Doch noch immer war keine nutzbare Lösung geboren.
Da trat Fulä Seppli ans Ufer, stiess einen Stein ins Wasser und sagte leise und kaum hörbar: «Das Wasser ist zurückgegangen.»
Und tatsächlich – die Strasse, die verloren schien, war wieder da.
Effektivus liess seinen Hammer sinken.
Effizianus legte seine Pläne beiseite.
Keiner hatte Unrecht gehabt und gehandelt – doch keiner hatte gesehen, dass die Lösung bereits im Fluss des Lebens lag.
Von diesem Tag an verstanden die Menschen, dass es drei Wege gibt, mit dem Leben umzugehen:
🔹 Den Weg der Tat – des unmittelbaren Handelns.
🔹 Den Weg des Denkens – der klugen Planung.
🔹 Und den Weg des Wartens – der stillen Erkenntnis.
Nicht jeder wählte den gleichen Pfad. Doch sie verstanden, dass alle drei ihre Zeit und ihren Raum hatten – und, dass manchmal das Nicht-Tun der grösste und wirkungsvollere Schritt sein konnte.
Epilog
So blieb Effektivus ein Erbauer.
Effizianus blieb ein Planer.
Und Fulä Seppli blieb einer, der zur richtigen Zeit nichts tat – und genau dadurch etwas bewirkte.
Wer heute in einer ruhigen Stunde am Wasser sitzt, die Strömung beobachtet und lächelt, der mag sich an die Geschichte erinnern und denken:
«Vielleicht ist es gar nicht Faulheit, wenn man wartet – sondern die Kunst des klugen Wartens.»
Diese Geschichte offenbarte sich aus Erinnerungen meiner Kindheit.
Denn Fulä Seppli wurde mir, ja mir, von meiner Mutter und meinem Umfeld oft nachgesagt.Nicht, weil ich Müssiggang lebte.
Nicht, weil ich Arbeit scheute.
Nicht, weil ich mich vor Verantwortung drückte.Es war, ist und bleibt stehts die im Zitat oben genannte Stimme in mir, welche mir zuflüsterte und es heute noch gut:
«Vielleicht ist es gar nicht Faulheit, wenn man wartet – sondern die Kunst des klugen Wartens.»
La vita è bella 😎
Und, wenn du mehr über meine Tugend erfahren willst, lass uns doch gemeinsam der Kunst des klugen Wartens hingeben. 🤭Herzlichst – dein/euer Maurizio.
PS:
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